CEWE Fotoschule
Gestalten mit Licht
Wenn ich in der Jury eines Fotowettbewerbes sitze, muss ich innerhalb kürzester Zeit bei Tausenden von Bildern mitentscheiden, ob ein Foto gelungen ist oder ob es aus dem Rennen fällt. Beim Durchschauen der Bilder fällt oft sofort auf, dass viele Motive zwar gut aufgebaut sind, aber bei ungünstigem Licht fotografiert wurden. Daher gebe ich Ihnen heute Ideen an die Hand, wie Sie in Ihrer Fotografie kreativ mit Licht arbeiten und so Ihre Motive sichtbar verbessern können. Denn neben einer spannenden Bildgestaltung ist das Erkennen von und der virtuose Umgang mit Licht das zentrale Stellrad für gute Fotografie. Jede Lichtart bringt unterschiedliche Ergebnisse.
Die bewusste Gestaltung mit Licht ist entscheidend für beeindruckende Fotografien. In diesem Artikel erkläre ich Ihnen die wichtigsten Aspekte für die Gestaltung mit Licht:
- Die Bedeutung von Licht: Licht beeinflusst Stimmung, Tiefe und Ausdruck eines Fotos maßgeblich. Ein gutes Verständnis von Lichtquellen, -richtungen und -intensitäten zu entwickeln, ist daher essenziell für die Bildgestaltung.
- Praxis-Tipp: Nutzen Sie die "Goldene Stunde" kurz nach Sonnenaufgang oder vor Sonnenuntergang, um weiches, warmes Licht für stimmungsvolle Aufnahmen zu erhalten. Auch in der blauen Stunde ist das Licht besonders stimmungsvoll.
- Motiv-Idee: Experimentieren Sie mit Licht und Schatten und gezielten Über- oder Unterbelichtungen bspw. bei Gegenlichtaufnahmen, um Silhouetten zu erzeugen. Diese verleihen Ihrem Bild eine besondere Dramatik und Tiefe.
George Eastman, Gründer des Kamera- und Filmimperiums Kodak Company, hat eines der für mich besten Zitate zur Fotografie hinterlassen:
„Umarme das Licht. Bewundere es. Liebe es. Aber vor allem: Kenne das Licht. Wenn du es richtig kennst, kennst du den Schlüssel zur Fotografie.”
Dr. Micha Pawlitzki ist einer der besten europäischen Naturfotografen. Er kreiert faszinierende Natur- und Landschaftsfotos auf höchstem Niveau. Als Gastautor der CEWE Fotoschule Einblicke in die Bildkomposition der Profis. Weitere Informationen über seine Arbeit finden Sie am Ende dieses Artikels.
Die Goldene Stunde
Die bekannteste Lichtstimmung ist vermutlich die Goldene Stunde, also die kurze Zeit direkt nach Sonnenaufgang und direkt vor Sonnenuntergang. Dann ist das Licht röter, gelblicher, weicher als zum Beispiel das knallharte Mittagslicht mit seinem ausgewaschenen Weiß und tiefschwarzen Schatten. Die Goldene Stunde modeliert Motive schlichtweg besser und das weiche Licht ist oft angenehmer für das menschliche Auge.
In diesem Bild beleuchtet das erste warme Morgenlicht die (eigentlich mausgrauen) Berge im Hintergrund. Auch die Erdverwerfung, die inmitten der weißen Salzpfannen ins Bild hineinführt, ist nicht mehr nur langweilig braun, sondern strahlt Orange-Gelb und bekommt über das direkte Seitenlicht auch noch mehr visuelle Dominanz und Tiefe.
Das klassische Pendant zur Goldenen Stunde ist die Blaue Stunde. Während der Dämmerungszeiten, also vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang, entsteht eine eher blaue Lichtstimmung, die zauberhafte Aufnahmen ermöglicht. Anders als bei der Goldenen Stunde strahlt zudem kein direktes Sonnenlicht das Motiv an. So verringern sich die Kontraste und die Bilder wirken noch einmal ruhiger und ausgeglichener. Diese oft fast magischen Dämmerungsphasen sind meine absoluten Lieblingszeiten beim Fotografieren.
Das Gegenstück des Lichts kommt bei den nächsten Bildern zum Tragen: der Schatten. Denn auch wenn Sie direkt in die Sonne fotografieren, können Sie ausdrucksstarke Motive kreieren. Die Treppen und Geländer des Sprungturms in diesem Bild sind schon an sich schön geformt; die Eyecatcher in diesem Bild sind aber die fünf Personen, die isoliert auf den Plattformen stehen. Gegenlichtaufnahmen mit Scherenschnitten funktionieren nur, wenn Ihr Motiv ungewöhnlich klare, eindeutige Umrisse aufweist.
Im diesem Bild habe ich in der unteren Bildhälfte die riesigen Schatten der Wäsche in den Mittelpunkt der Aufnahme gestellt. Die Wäsche auf der Leine ist nur Beiwerk und verschwindet im Hintergrund, das zentrale Motiv sind die schön isoliert sichtbaren Wäscheschatten. Wichtig ist hier, dass die Schatten auf einen ruhigen Untergrund fallen, um in ihrer Form wirken zu können.
5 Tipps vom Foto-Profi
1. Licht lesen lernen
Es gibt nie das EINE perfekte Licht für ein bestimmtes Motiv, aber es gibt ungünstige Lichtsituationen. Es lohnt sich, den Umgang mit Licht zu üben.
2. Bewölkung nutzen
Hartes Mittagslicht kann jedes noch so schöne Motiv zerstören. Nutzen Sie daher bewölkte Tagesphasen oder die Zeiten vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang, wenn die Kontraste reduziert sind.
3. Spielen Sie mit Licht & Schatten
Suchen Sie beim Fotografieren gezielt interessante Schatten und integrieren Sie diese in Ihr Motiv. Achten Sie bei den Schatten darauf, dass sie visuell spannende Formen haben.
4. Die Belichtung bei Gegenlicht anpassen
Wenn Sie direkt in die Sonne fotografieren (und keine Silhouetten planen), wird die Sonne vermutlich richtig belichtet, der Rest deutlich zu dunkel. Hier müssen Sie entweder mit einer HDR-Aufnahme oder manuell gegensteuern, indem Sie das Motiv mit mehreren Blenden überbelichten.
5. Über- und Unterbelichtungen wagen
Unter- und Überbelichtungen lassen sich zwar über die Nutzung von HDR ausgleichen. Aber der gezielte Einsatz von „Fehl“-Belichtungen, also bewusst sehr dunkle oder sehr helle Bilder, kann auch Zeichen einer fortgeschrittenen Bildästhetik sein. Spielen Sie daher auch einmal mit Unter- und Überbelichtungen!
Haben Sie schon die ersten drei Teile der CEWE Fotoschule gelesen?
- Bildgestaltung mit Linien, Punkten und Flächen
- Fotografieren im Goldenen Schnitt – und mittig
- Bilder gestalterisch einrahmen